Weihnachtsgeschichte 2005


Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 – Ich der Weihnachtsmann

Kapitel 2 – Von Wünschen und anderen Problemen

Kapitel 3 – Geschenke – Der erste Versuch

Kapitel 4 – Stress am Telefon

Kapitel 5 – Das letzte Geschenk

Kapitel 6 – Warum ich dennoch gerne der Weihnachtsmann bin


Kapitel 1 – Ich, der Weihnachtsmann
Schneetreiben. Bis zu den Knöcheln steh ich nun schon im Schnee. Die Zehen werden auch schon kalt. Und dieser rot-weiße Umhang wird auch nicht modischer. Nun ist es schon wieder Anfang Dezember und so langsam wird es Zeit, dass die Geschenke den Weg von den Geschäften in meinem Weihnachtssack finden. Und wer denkt, der Weihnachtsmann, der bestellt die Sachen über Katalog oder hat das Zeug in einem Lager auf Vorrat der täuscht. Und die unscheinbare Hütte am Rande einer Großstadt ist genau das, was den Kleinkindern heutzutage gerne verschwiegen wird.

Nun diesen Job mache ich nun schon zum zweitausend und fünften Mal. Und trotzdem, der Stress ist jedes Jahr um ein Vielfaches größer, als im Vorjahr, naja irgendwie muss man sich die Falten im Gesicht erklären. Auch dieses Jahr sollte das Beschaffen der Geschenke nicht allzu einfach werden. Es würde wohl zu viel eurer Zeit in Anspruch nehmen, euch meine sämtlichen Erlebnisse aus diesem Jahr näher zu bringen. Aber anhand einer Familie möchte ich euch zeigen, wie mein Vorweihnachtsalltag so aussieht.

Kapitel 2 – Von Wünschen und anderen Problemen
Wie bereits erwähnt, in der vorigen Nacht hatte es hierzulande, oder besser hier in der Stadt, den ersten Schnee gegeben. Sagen wir mal so, ich mag den Schnee. Doch wenn im Jahr der erste Schnee fällt, verfällt auch der Weihnachtsmann in depressionsähnliche Zustände. Besonders die kleineren unter den Kindern haben es da auf das Scheitern meines Unternehmens abgesehen. Es ist noch früh am Morgen. Die Kirchturmuhr hatte gerade elf geschlagen und die ersten Einkaufsmeilen füllten sich mit kaufwütigen Menschenmassen. Und da Anfang Dezember ist, bin ich mittendrin. Natürlich in zivil, um nicht allzu viel Aufsehen zu erregen. Die Tür von diesem Einkaufstempel schwingt auf und ich quetsche mich an einer etwas beleibteren Dame durch den noch verblieben Spalt hindurch. Das Unterfangen kostet doch einige Schweißtropfen, bringt mich aber nicht aus dem Konzept. Dafür stehe ich nun vor dem ersten schwerwiegenden Problem. In meiner Zivilkleidung will sich einfach nicht der Wunschzettel ausfindig machen lassen. Nun, ich meine mich erinnern zu können, dass sich meine Vermerke zu den Wünschen doch sehr in Grenzen gehalten haben, aber dennoch kostet diese Unachtsamkeit einige Stunden meiner wertvollen Zeit. Ich setze das Vorhaben dennoch gezielt fort. Doch bereits am Eingang einer großen Multimediakette werde ich von einem netten Bodybuilder gebeten, mit dem Eintreten in die Räumlichkeiten zu warten, weil bereits zu viele Kunden das Innenleben dieses Raumes in Beschlag nehmen. Ich zeige ihm also vertrauenswürdig meinen Dienstausweis und er guckt mich fragend an. „Sind sie nicht schon zu alt für solche Spielereien?“, meint er noch beifällig, als ich ihn bitte mich zur Geschäftleitung zu bringen. Im Gedränge der Massen sehe ich meine einzige Chance. Ich reiße meinen Arm von dem Sicherheitsbeamten los und lasse mich instinktiv fallen. Da die Person vor mir die Beine leicht gespreizt hat, ergreife ich die Gelegenheit. Ich rutsche unter dem betagten Herren hindurch und der Sicherheitsbeamte ist vorübergehend außer Reichweite.

Kapitel 3 – Geschenke – Der erste Versuch
So nun denkt ihr euch, in einer Multimediaabteilung der größeren Art wird der Weihnachtsmann sicher fündig, aber nein, dies sollte mir an diesem Tag einfach nicht vergönnt sein. So entschied ich mich nur für eine DVD und war dabei die Örtlichkeit wieder zu verlassen. Der nächste Schock erwartet mich an der Kasse. Da saß eine etwas ältere Dame, deren Mundwinkel den Weg nach oben wohl nie finden würden. Sie nahm mir wohl meine Kartenbezahlung des Artikels mit meiner Weihnachtsmann – VISA – Karte etwas krumm und schnauzte mir noch ein „Frohes Weihnachtsfest“ hinterher. Wieder draußen bemühte ich mich, den Blicken des Sicherheitsbeamten auszuweichen und schlenderte Richtung Buchhandel. Der Weg dort hin stellte sich als ein umfunktionierter Hindernislauf mit menschlichen Objekten heraus. Mal wurde mir ein Kinderwagen in die Seite gerammt und mal meinte ein kleines Kind, es könne unter meinen Beinen durchlaufen. Das Beste allerdings waren meine Möchtegern Doppelgänger, die mich mit Weisheiten zum Weihnachtsfest bei Laune halten wollte. Dazu nur eins: „Wenn man keine Ahnung von der Sache hat, dann sollte man die Sache den Profis überlassen“. Gut ich lies den Mann aber in dem Glauben, er sei der richtige Weihnachtsmann, um die Bevölkerung nicht einer Massenpanik auszusetzen und fand mich eine ganze Viertelstunde später, hundert Meter weiter, vor dem Buchladen wieder. In so einem Buchladen konnte ich dann meiner ganzen Kreativität freien Lauf lassen. Hier fand sich dann für so ziemlich jeden Bedarf das passende Geschenk. Allerdings war das Aufspüren dieser Bücher auch nicht ganz so einfach. Die Beschriftung der Regale war doch etwas verwirrend und trieb mich zunächst in die Nähe von Abreiskalendern. Aber letztendlich sollte ich auch das Kochbuch und das Buch über „Trainingsmöglichkeiten für Torhüter“ für den Kleinsten in der Familie finden. Wie gesagt für fast jeden Geschmack hatte ich nun ein Geschenk. Das Problem war, ich brauchte noch 2 weitere Geschenke. Allerdings hat mich mein Aufenthalt in dem Buchladen so geschafft, dass ich es für unmöglich hielt mein Unterfangen fortzusetzen und entschied mich für eine Vertagung. In dem stärker werdenden Schneetreiben trieb es mich letztendlich doch zu einer verlassenen Bushaltestelle, wo der Bus auch geradewegs vor meiner Nase abfuhr und der Busfahrer im Außenspiegel ein Grinsen über die Lippen brachte.

Kapitel 4 – Stress am Telefon
Es hatte aufgehört zu schneien und so langsam setzte das Tauwetter ein. Über Nacht hatte sich leider kein passendes Präsent finden lassen und so musste ich wohl erneut auf die Suche gehen. Doch genau in diesem Moment schoss mir ein Blitz durch den Kopf, manche von euch nennen es wohl einen Geistesblitz. Ich griff sofort zum Telefonhörer und rief die Nummer einer örtlichen Ticketzentrale an. Ein Herr am anderen Ende der Leitung lies mir seine morgendliche Stimmung zu teil werden und brachte nur ein gequältes „Morgen“ über die Lippen. In bester Laune trug ich ihm meinen, eben für genial befunden Wunsch vor. Schon wiederholte er in demselben Ton meine Worte: „2 Konzertkarten für […], ja“. Ich gab einen bestätigten Ton von mir. Dann brach eine Fragenflut über mich herein. Welche Reihe, welcher Sitz, Rang oder Parkett? Also am Liebsten hätte ich den Herrn gefragt, ob ich nicht einfach nur gepolsterte Sitze bekommen konnte, aber ich hielt mich zurück, ohne dem Mann am Telefon sinnbildlich an die Gurgel zu springen. Ich wurde gefragt, ob es denn reiche, wenn die Karten im Januar zugestellt werden, was ich sofort energisch verneinen musste, da der Mann sonst die Karten in die Schublade „Hat noch Zeit“ eingeordnet hätte. Ich verwies ihn mit eindringlichen Worten darauf, die Karten auf Grund der Weihnachtsvorbereitungen so schnell, wie nur möglich zu verschicken. Der Herr verstand und gab den Auftrag seiner Sekretärin weiter, wie ich nur unschwer an den etwas lauteren Worten im Hintergrund erahnen konnte. Aber nicht als ob die Sache damit vom Tisch gewesen wäre. Es folgt ein ausgearbeiteter Fragebogen über weitere, noch verfügbare Veranstaltung. Nach der siebten Veranstaltung höre ich, wie die Stimme am anderen Ende der Leitung ins Positive driftet. Doch sofort, als ich alle Veranstaltungen mit einem „Nein“ ablehne kehrt der Mann wieder in den üblichen morgendlichen Pessimismus zurück. Völlig entnervt lege ich den Hörer zurück in seine Fassung und lehne mich in meinem weichen Ledersessel entspannt zurück.

Kapitel 5 – Das letzte Geschenk
Nun gut der Tag war ja noch lange nicht vorbei. Aber auf Grund des schwerwiegenden Tauwetters würde sich meine Laune vermutlich nicht bessern. Ich beschloss in einem letzten Versuch das noch verbleibende Geschenk auf dem örtlichen Weihnachtsmarkt zu finden. Schon als ich vor die Tür trete, steht mein linker Stiefel einen halben Zentimeter unter Wasser. Mit einem wassergefüllten Schuh geht es Richtung Bushaltestelle. Dort angekommen entwischt mir auch gleich der Bus und ich beschließe zur nächst größeren Haltestelle zu laufen. Natürlich läuft es sich bei Tauwetter nicht besonders angenehm und so gestaltet sich der Weg dahin zu einer Mischung aus Rutschen und zu einem „Wie werden die Schuhe nicht allzu nass“ – Unterfangen. Natürlich erlaubt mir der Untergrund nicht, nach der ankommenden Bahn zu rennen, weswegen ich diese prompt verpasse. Also setze ich auch den noch verbleibenden Weg zum weihnachtlichen Markt zu Fuß zurück. Zu allem Überfluss beginnt auf halber Strecke auch noch ein leichter nasskalter Nieselregen.

Eine Stunde später erreiche ich glücklicherweise mein Ziel. Ich schlürfe durch anmutig klingende Gassen, wie „Wintergasse“ und „Wichtelgasse“, wobei ein zeitweiliger vorweihnachtlicher Gedanke in mir aufsteigt. Dieser wird jedoch sofort durch die Überzahl der Würstchen- und Glühweinbuden zerstört. Wieso gibt es auf einem vom Namen ausgeschriebenen „Weihnachtsmarkt“ mehr Würstchenbuden als es Hütten mit erzgebirgischer Handwerkskunst gibt. Und warum muss es in jeder Gasse gleich 2 Anlaufstellen für Glühwein geben. Auch die weihnachtliche Melodie, die über dem Weihnachtsmarkt erklingt, dröhnt nur aus dem Lautsprecher. Wo ist das Flair, der urtümlichen Weihnachtsmärkte hin, wo man im Schnee stapfend einen Bratapfel verschlang und mit Mutti an der Hand von Hütten mit Pyramiden zu Ständen mit Räuchermännchen zog. Der weihnachtliche Gedanke ist fast gänzlich der Geldmacherei gewichen. Und so zieht es mich zu einer der kleinsten Hütten, ganz am Rand des Marktes, wo die Musik fast nicht mehr zu hören ist. Ein feiner, froher Duft von Holz weht einem um die Nase. Von der Verkäuferin werde ich ebenfalls mit einem Lächeln auf den Lippen und einer Tasse Tee begrüßt. „Na ihnen fehlt noch ein Geschenk, das sehe ich doch schon.“ Völlig überrascht trete ich noch ein bisschen näher an das kleine Holzhaus heran. Kleine und große Pyramiden drehen sich im Hintergrund. Verschnörkelte Kerzenständer und träumerische Behältnisse für Teelichter ermuntern mich wieder. Das Lachen und die Wärme, die ein Weihnachtsfest ausstrahlen sollten, kehren in mich zurück. So entscheide ich mich letztendlich für eine kleine handgeschnitzte Weihnachtsmannfigur. Ich bedanke mich bei der Dame in dem kleinen Holzhaus und verlasse, wie in einem Traum, mit einem guten und warmen Gefühl im Bauch, den Weihnachtsmarkt.

Kapitel 6 – Warum ich dennoch gerne der Weihnachtsmann bin
Es ist der 24. Dezember. Der Tag, der besser unter dem Begriff „Heilig Abend“ bekannt ist. Bei mir liegen alle Sachen kreuz und quer über dem Boden verteilt. Geschenkpapier, kleine Papiersterne und das Band, welches die Geschenke zusammenhält. Beim Einpacken der Geschenke kommt die ganze Liebe für Weihnachten ans Licht. Das Klebeband hält das Papier zusammen, das Band wird zurechtgezogen und ein kleiner Papierstern schmückt die Ecke, des neulich schwer erkämpften Buches. Doch in genau diesem Moment bin ich wieder ausgeglichen und der ganze Stress der letzten Tage fällt von mir ab.

Nun aber ist der Moment gekommen, um eine Familie glücklich zu machen. Ich lege den roten Mantel an, der, wie noch von vor zweitausend und fünf Jahren, den weißen Saum am Rand behalten hat. Dazu schlüpfe ich, wie von alleine, in die rote Hose, die sich samtgleich um meine Beine wickelt. Die Krönung ist jedes Jahr die rote Mütze, die mit einer prachtvollen weißen Bommel bestückt ist.

So bekleidet mache ich mich auf den Weg zu jener Wohnung, wo unsere Familie dieses Jahr das Weihnachtsfest verbringen wird. Dreimal klopfe ich mit der ganzen Faust gegen die schwere Holztür. „Bumm“ „Bumm“ „Bumm“. Hinter der Tür höre ich aufgeregtes Tuscheln. Mir wird geöffnet. Wärme strömt mir entgegen. Der Duft von Räuchermännchen und Räucherfrauen steigt mir in die Nase. Auf dem Wohnzimmertisch liegen Plätzchen in einer weihnachtlichen Glasschale. Jetzt ist auch für mich das Weihnachtsfest zum Greifen nahe. Mehr als 6 Augenpaare blicken gleichzeitig zu mir auf. Alle in Erwartung ihrer Geschenke. Mit einem Rat für jeden auf den Lippen übergebe ich dem Vater, als auch dem kleinen Kind die kleine Gabe. Bevor ich nun aber das Haus wieder verlasse, drehe ich mich noch einmal um und spreche zu allen:

„Weihnachten ist das Fest der Familie. Feiert ausgelassen und seid eueren Nächsten nahe. Denkt aber auch daran, wie viel Kraft und Liebe hinter so einem Fest stehen. Dankt auch denen, die so etwas Großartiges möglich gemacht haben. Wir sehen uns auf jeden Fall im nächsten Jahr wieder. Macht es gut und bleibt schön artig.“
Mit diesem Worten verließ ich das Haus dieser Familie. Viel mehr Zeit zum Verweilen blieb mir leider nicht. Schließlich warten auch andere Väter, Großväter und Kleinkinder auf ihre Geschenke und meinen weisen Rat.

,