Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1 – Alle Jahre Wieder
Kapitel 2 – Mission Afrika
Kapitel 3 – Down Under
Kapitel 4 – China – Land der Drachen und Mythen
Kapitel 5 – Der Südpol – Besuch beim Nikolaus
Kapitel 6 – Was aus dem Weihnachtsfest wurde
Schneegestöber. Dicke Flocken und ein eisig kalter Wind ließen die Türklinken zu wahren Frostgebilden und die sonst so farbenprächtigen Bäume zu weißblauen Eisgewächsen werden. Nach einigen wärmeren Tagen im Sommer kehrte nun die eisige Kälte zurück und ließ die Ohren rot werden und die Nasenspitzen erfrieren. Väterchen Frost hatte sich den wohlverdienten Platz am Nordpol zurück erkämpft.
Auch in der Werkstatt des Weihnachtsmannes begann der Betrieb nun so langsam. Die ersten Helfer und Helferchen trafen ein und bezogen ihre Quartiere. Schon nach einigen Tagen lag der süßliche Duft von Kuchen und Plätzchen in der Luft und aus den Schornsteinen stiegen rauchig, weiße Dampfschwaden empor. Es herrschte schon bald ein aufgeregtes Treiben und viele kleine und noch kleinere Helferchen rannten scheinbar planlos umher, überbrachten merkwürdige Dinge und verursachten ein für Außenstehende sehr chaotisches Durcheinander. Der Arbeitsalltag begann. So auch für Wichtel Willi, einen kleinen, freundlichen Gesellen mit dickem Bauch und roter Wichtelmütze auf seinem Kopf. Der kleine Mann sorgte im letzten Jahr für viel Furore im Weihnachtsmannschloss, als er in einer bisher noch nie da gewesenen Aktion das zugeschneite Schloss mit der warmen Luft seines Föhns von den Eiszapfen an den Schlössern befreite und somit das Weihnachtsfest für viele Kinder rettete. Und auch dieses Jahr sollte er an dem Gelingen des Weihnachtsfestes maßgeblich beteiligt sein.
Nach der ersten Woche war die Routine in viele Arbeitsprozesse eingekehrt. Alles wirkte auf einmal viel organisierter. Und doch fehlte etwas. Der Weihnachtsmann höchstpersönlich hatte sich noch immer nicht aus seinem Sommerurlaub zurückgemeldet. Und das war bisher noch nie passiert. Der eigentliche Kopf des Weihnachtstreibens auf dem Schloss fehlte bei wichtigen Entscheidungsaufgaben. Allmählig türmten sich Berge von Wunschzetteln auf seinem Schreibtisch. Die Kollegen von der Geschenke-Verpack-Station konnten wegen der fehlenden Namensschildchen nicht mit dem Verpacken der Geschenke beginnen. Sie halfen vorerst in der Küche und in der Werkstatt aus, wo es um diese Zeit immer viel zu tun gab. Als Wichtel Willi wegen eines dringenden Auftrages das Büro des Weihnachtsmannes betrat, flogen ihm unzählige Wunschzettel um die Ohren. Auf dem Tisch und ringsherum auf dem Fußboden stapelten sich meterhoch die Wünsche von Millionen Kindern. Eine Staubschicht lag jeweils auf dem obersten Blatt. Der Weihnachtsmann konnte noch nicht hier gewesen sein.
Wichtel Willi begann mit seiner Suche im Schloss. Er fragte bei den Weihnachtselfen und suchte in der Werkstatt. Aber selbst in der Backstube traf er den alten Mann mit weißem Bart nicht an. Und so beschloss Willi im Sommerquartier des Weihnachtsmannes weiter zu suchen. Denn hier im Schloss hatte ihn seit dem letzen Winter noch keiner gesehen.
Für unseren Wichtel begann eine aufregende Reise. Doch erst nach einer Woche und einer langen Reise erreichte er das Sommerdomizil des Weihnachtsmannes.
Der Weg hierher war anstrengend und doch entschädigte der erste Blick für die vielen Reisestrapazen. Eine Löwin, die ihren Jungen über den Kopf schleckte und eine Horde Elefanten, die sich am Fluss gegenseitig mit ihren Rüsseln abduschten, fielen Willi sofort in den Blick. Solch mächtige und starke Wesen hatte er zuvor noch nicht gesehen. Überhaupt hatte ihm die Welt bisher nicht viel offenbart. Noch nie war er so weit gereist und hatte fremde Kontinente oder gar andere Kulturen kennen gelernt. Doch trotz all der schönen Momente, die ihn zu überwältigen schienen, vergaß er nicht, weswegen viele Wichtel und Elfen gerade auf ihn zählten. Und so zog er mit einem kleinen Stock, an dem ein Bündel befestigt war, durch die Landen, durchstreifte kleine und große Täler, ehe er zu dem Fuße eines mächtigen Berges gelangte. Die Einheimischen nannten den Berg ehrfurchtsvoll „Kibo“ und auch unserem kleinen Wichtel verschlug es kurz den Atem. Auf der Spitze dieses mächtigen Steingebildes lag etwas das ihm aus seiner Heimat sehr vertraut vorkam. Es sah aus wie der Zuckerguss auf einem Pfannkuchen. Nun war Wichtel Willi klar, warum der Weihnachtsmann hier seinen Urlaub verbrachte. Besser entspannen konnte man nirgendwo. Nach einiger Zeit erblickte er eine kleine Holzhütte zu Fuße dieses heroisch anmutenden Steingebildes. Die Tür stand offen und unserem Wichtel beschlich ein ungutes Gefühl. Irgendetwas war hier vorgefallen. Mit den Fingerspitzen stieß er die Tür noch ein Stückchen weiter auf und die Sonne durchflutete die durch die Rollladen doch so abgedunkelte Hütte. Zettel flogen umher. Es sah aus wie ein heilloses Durcheinander. Alle Schubladen waren aufgerissen worden, selbst die Bücherregale waren umgeschmissen worden. Und dennoch lag ein Buch mit aufgeschlagenen Seiten, scheinbar gewollt und der ganzen Unordnung entgegen, so augenscheinlich inmitten der ganzen Zettel und Seiten. Willi hob es behutsam auf und hielt es dicht vor seine Augen, damit er den Titel genau erkennen konnte. Es war ein Kinderatlas und die aufgeschlagene Seite zeigte den wohl kleinsten Kontinent auf unserem Erdball. Der Wichtel kannte ihn bisher nur von einigen Erzählungen und Sagen. Da er keinen weiteren Hinweis für den Verbleib des Weihnachtsmannes fand, beschloss er seine Reise fortzusetzen. Nach einem kräftigen Schluck verstaute er die Wasserflasche wieder in dem kleinen Beutel um den Gürtel.
Er wanderte erneut mehrere Tage durch grünes Land; durch Berg und Tal, ehe er den großen Ozean erreichte. So flog der kleine Willi auf riesigen Seevögeln über das Wasser und ritt auf mächtigen Walen durch das Meer. Seiner Ankunft auf dem australischen Kontinent sollten einige weitere spannende Abenteuer folgen.
Die großen Wellen brachen sich am hellgelben Strand und hinterließen kleine, glitzernde Sandkörner. Weich wie Samt trat Willi in den nassen Boden und versank knöcheltief darin. Der Strand verlief kilometerlang und weit und breit war kein Mensch zu sehen. Die Möwen umkreisten seinen Kopf und stimmten ein Lied des Krächzens und Krähens an. Unter dem großen Zehennagel sammelten sich die Sandkörner, kitzelten den kleinen Wichtel und entlockten ihm ein lautes Lachen. Den Kopf etwas freier besann sich Willi auf sein Anliegen und forschte weiter nach seinem Chef. Auf seiner Suche traf er auf echte Ureinwohner, auch Aborigines genannt. Die braungebrannte Haut und das etwas andere Weltbild der Indianer Australiens faszinierten ihn. Die hilfsbereiten Männer und Frauen begleiteten den Wichtel viele Tage auf seiner Reise. Beim gemeinsamen Singen verging die Zeit und auch die vielen Reisestrapazen waren sogleich ein bisschen besser erträglich. Bei einer Geschichte am Lagerfeuer, die von Mythen und Sagen handelte, sprach ein dunkelhäutiger Mann von einer seltsam aussehenden Gestalt im roten Gewand, die von zwei kleinwüchsigen Menschen begleitet wurde und ebenfalls dieses Land bereiste. Wo der Wichtel in dem einen Moment noch gedankenverloren ins Feuer geschaut hatte, hörte er nun interessiert zu. Bahnte sich da etwa die erste wirkliche Spur an? Willi hakte nach und erfuhr, dass der alte Mann zuletzt an dem größten See Australiens, dem Lake Eyre, gesehen wurde.
So brach unser kleiner Freund erneut auf, verließ mit einem satten Bauch die neugewonnen Freunde und folgte in einem scheinbar endlosen Marsch den langläufigen Straßen soweit, bis er Blasen an den Füßen hatte. Seine Rettung war, dass er im Licht der brütenden Mittagssonne, den wohl gigantischsten See erblickte, den sein Auge jemals gesehen hatte. Schnell fanden seine Füße eine wohlverdiente Abkühlung und auch er genehmigte sich einen tiefen Schluck aus dem kühlen Nass. Als er den Kopf wieder hob, schwamm in etwa hundert Meter Entfernung etwas Eigenartiges auf dem See. Seinem Gespür folgend, sprang er in das nasskalte Wasser und schwamm auf das seltsame Objekt zu. In seinen Händen fand sich nun ein großer Leinensack wieder, der nur aus nordischen Fasern gewebt sein konnte. Willi war sich sicher: Hierbei konnte es sich nur um den Sack des Weihnachtsmannes handeln. Auf der Innenseite befanden sich ein paar merkwürdige Schriftzeichen. Nach einem kurzen Besuch in der Nationalbibliothek hatte er schon die Antwort eines weisen, alten Bibliothekars auf einem kleinen, zusammengefalteten Zettel stehen. „China. Gehe deinen Weg.“, sollten die Schriftzeichen bedeuten.
Und so begann die Reise aufs Neue. Ein Laufvogel brachte den kleinen Wichtel in Windeseile an die Nordseite des australischen Kontinentes, wo er in ein Schiff stieg, dass ihn innerhalb von 3 Tagen in die chinesische Hauptstadt bringen sollte. An Bord befanden sich viele asiatisch anmutende Gestalten und nachdem die gegenseitige Zurückhaltung gewichen war, verbrachten Willi und einige chinesische Bürger die Zeit zusammen an Deck und lernten voneinander. Willi berichtete von seinen Erlebnissen und erfuhr gleichzeitig etwas über die Kultur und die Menschen des doch so fernen Chinas.
Kapitel 4 – China – Land der Drachen und Mythen
Groß und mächtig ragten die überdimensionierten Hochhäuser in die Luft. Willis Mund blieb offen stehen, als er von Bord des Kreuzfahrtschiffes ging. Seinen Auftrag im Blick streifte er durch die tiefen Häuserschluchten auf der Suche nach einem Zeichen vom Weihnachtsmann. Doch irgendwie schien von diesem Ort kein wohliges Weihnachtsgefühl ausgehen. Weihnachten hatte für unseren Wichtel immer mit Schwibbögen, Kerzen und Weihnachtsbäumen zu tun. Hier fanden sich jedoch nur bunte Lampions und seltsam verzierte Häuserfassaden wieder und erzeugten ein fremdländisches Flair. Willi irrte stundenlang planlos umher und kam sich in dieser großen Stadt sehr einsam vor. Außerdem vermisste er seine kleine Lieblingselfe Meggie, die nun schon mehrere Wochen alleine zu Hause auf ihn wartete. Kühl blies ihm der Wind durch das Haar und Willi erblickte einen seltsamen kleinen Laden. Das Eingangsschild verkündete: „Spielereien einer verloren gegangen Welt“. Wenn dieser Laden verloren gegangene Spielzeuge führte, dann hatte er vielleicht auch den Weihnachtsmann gefunden oder mindestens einen Hinweis auf dessen Verbleib. Mit einem orientalischen Gong im Ohr trat der Wichtel in die dunklen Räumlichkeiten ein. Es roch ein wenig nach altem Leder und dann gleich wieder so, als ob hier ein Feuerwerk gezündet worden war. In jedem Fall lag etwas Besonderes und Unbekanntes in der Luft.
Ein kleiner runzliger Geselle mit recht wenig Haaren auf dem Kopf kam hinter der Ladentheke zum Vorschein und hielt eine süßlich duftende, mit orientalischen Schriftzeichen verzierte Kerze in der Hand. „Womit kann ich Ihnen dienen?“, fragte der ältlich blickende Ladenbesitzer. Willi war sichtlich unwohl bei seiner Frage: „Ich vermisse Etwas, oder besser Jemanden. Und es ist ganz dringend, dass ich es zurückbekomme.“ Die Mundwinkel des Ladenbesitzers zuckten einen kurzen Moment nach oben und Hoffnung kehrte auch in des Wichtels Gesicht zurück. „Ich habe da Etwas für dich.“, meinte die seltsame Gestalt, „doch dafür verlange ich Etwas von dir, dass ich noch nicht in meinem Laden habe. Du verstehst sicher, ich bin ein großer Sammler und ständig auf der Suche nach neuen Objekten und Dingen für meinen Laden. Also gibt es bei mir nur Tauschgeschäfte.“ Der Wichtel runzelte seine Stirn. Willi schoss ein Gedankenblitz durch den Kopf: Der Kinderatlas aus Afrika, den hatte der kleine Gnom bestimmt noch nicht. Und tatsächlich, unser Wichtel sollte erneut Glück haben und bekam im Tausch einen grauen Stein in die Hand gedrückt. „Was soll das?“, fragte der Wichtel sichtlich entnervt. „Ich dachte wir machen hier ein Tauschgeschäft mit Vorteilen für uns Beide und du gibst mir nur diesen Stein?!“ – „Das ist kein gewöhnlicher Stein. Schau, hier ist eine uralte Drachenrune eingraviert. Die Sagen und Geschichten behaupten, dass der Stein Menschen in Notsituationen hilft. Er ist tief mit den chinesischen Grundfesten und Ideologien verbunden. Möglich ist, dass er eine Verbindung zu den wohl weisesten Wesen auf unserem Planeten, den Drachen, schafft. Man sagt, Drachen leben ewig und seien unsterblich. Sie gelten zudem als allwissend und sehr intelligent. Nun möge dieser Stein dir deinen Weg weisen.“ Mit diesen Worten verschwand der seltsame kleine Mann wieder hinter seiner Ladentheke und ließ den Wichtel alleine mit dem grauen Ding zurück. Ein wenig enttäuscht, verließ Willi den Laden und trottete wieder einsam, aber mit einem kleinen schweren Stein in der Tasche durch die Gassen und Straßen.
Wieder kam die Einsamkeit in ihm hoch und eine kleine Träne rollte an seiner rauen Wange herunter. Und dann geschah etwas, was der Wichtel nicht für möglich gehalten hatte. Der Stein in seiner Tasche begann sich zu bewegen und eine mystisch tiefe Melodie begann zu singen. Einer Weile folgte Willi dieser ungewöhnlichen Melodie, bis ihn eine noch tiefere Stimme aus seinen Träumen riss: „Sehr geehrter Weihnachtsmannwichtel Willi. Mein Name ist Dragomir, ich bin der älteste der Fünf aus dem Stamm des edlen Drachengeschlechts. Du schaust betrübt aus und ein tiefer Schmerz liegt über deinem Herzen. Womit kann ich dir dienen?“ Total verblüfft stand unserem Wichtel der Mund offen und erst nach einigen Sekunden entsprang wieder ein Ton seiner Kehle: „Ich habe lediglich eine Frage an das edle Geschlecht der Drachen: Der Weihnachtsmann ist verschwunden und niemand, nicht einmal ich, hat ihn seit letztem Jahr gesehen. Können Sie, edler Drachenfürst, einen Hinweis auf seinen Verbleib geben?“ – „Mein Weitblick kann nicht den genauen Aufenthaltsort, des von dir gesuchten Mannes bestimmen. Seine Position scheint verschleiert. Doch ich gebe dir einen Hinweis, der dich zu ihm führen sollte. Folge der tiefstehenden Mittagssonne Richtung Süden, solange bis du das Polareis des Südpols entdeckst. Dort wohnt ein naher Verwandter der von dir gesuchten Person.“. Willi wollte sich bedanken, doch der Stein war soeben verstummt und wieder ein gewöhnlicher grauer Klumpen in des Wichtels Hand geworden. Und so ging die Reise weiter: Auf zum Südpol. Auch die Hoffnung war in Willis Herz und in seine Seele zurück gekehrt. Stand des Rätsels Lösung nun endlich kurz bevor?
Kapitel 5 – Der Südpol – Besuch beim Nikolaus
Ein klein wenig heimische Stimmung breitete sich in dem Herzen jenes Wichtels aus, der immer noch auf der Suche nach dem Mann im roten Gewand war. Die Flocken fielen wieder und eine breite Eismasse lag zu Füßen unseres Freundes. Als seine kleinen Zehen nun endlich den weiß glitzernden Schnee berührten, wurde er von einer Pinguinfamilie freudig empfangen. „Sagt mal“, fragte der Wichtel, „wohnt hier irgendwo ein Verwandter des Weihnachtsmannes?“ Er erwartete eigentlich keine Antwort, doch wie durch ein Wunder kam der kleinste Pinguin auf ihn zu und deutete mit seinem rechten Arm in Richtung einer kleinen, zugeschneiten Hütte, die man noch gerade so am Horizont erkennen konnte. Er klopfte und eine vertraute Stimme begrüßte ihn. Überrascht schienen seine Augen zu sein, als er zuerst den weißen Bart, dann den roten Mantel und die rote Mütze entdeckte. „Ich bin nicht der, für den du mich halten wirst. Aber ich bin ein enger Verwandter von ihm. Ich bin der Nikolaus und ich habe ganz im Gegensatz zum Weihnachtsmann ganzjährig mein Quartier hier am Südpol aufgeschlagen. Ich mag es, wenn Pinguine um mich herum sind, wenn die Flocken vom Himmel fallen und ich es dennoch nicht allzu weit zum Festland habe.“ Willi war noch immer ganz verdutzt und wusste nicht so recht, was er mit der Information anfangen sollte. „Ich habe ein riesengroßes Problem. Wobei, ich glaube, die vielen Kinder werden ein großes Problem haben, wenn der Weihnachtsmann nicht bald wieder auftaucht. Er sollte schon seit einiger Zeit im Weihnachtsmannschloss sein, aber ist dort bisher nicht gesehen worden. Ich bin nun schon fast einen Monat in der ganzen Welt unterwegs und habe ihn dennoch nicht finden können.“ Bedröppelt ließ der kleine Wichtel den Kopf hängen. Doch der weise alte Mann legte liebevoll seinen Arm und den kleinen Weltreisenden. „Nicht doch. Die Weihnachtsmannfamilie hat Mittel und Wege sich gegenseitig aufzuspüren. Du musst wissen, ich bin recht verträumt und so hat mich mein Bruder schon öfters davor gerettet den Nikolaustag zu verschlafen. Der Weihnachtsmann hat, ebenso wie ich eine Art Wünschelrute, nur das diese eben nicht nach Wasser, sondern nach dem verloren gegangenen Bruder sucht.“ Wichtel Willi war begeistert und sogleich wieder voller Tatendrang. „Lass uns die Suche sofort beginnen. Wir haben nicht mehr viel Zeit.“
Und so begannen die Beiden sofort mit der Suche. Ihre Reise sollte sie ins entfernte Amerika verschlagen. Es war nun schon der 23. Dezember, nicht mehr viel Zeit für unsere beiden Freunde.
New York, der gleiche Tag. Emmy und Christian saßen in einem spärlich beleuchteten Zimmer auf dem Fußboden. Ein Jeder blickte in das strahlende Gesicht seines Gegenübers. Schon bald sollten sie ihr Ziel erreicht haben. Der Heilige Abend stand kurz vor der Tür und der Weihnachtsmann gehorchte ihnen aufs Wort. Endlich einmal Weihnachten feiern und den Mann im roten Gewand ganz für sich allein haben, dass war der Wunsch eines jeden kleinen Kindes. Und so sollte es, wenn es nach den Willen der Beiden ging, in diesem Jahr der Fall sein: Geschenke, so weit das Auge reichte undmGlückwunschkarten bis zum Hals. In Gedanken malten sich Emmy und Christian bereits die schönsten Luftschlösser aus. Doch genau in diesem Moment klopfte es laut an der Holztür. Zwei ängstliche Blicke huschten quer durchs Zimmer. Dennoch öffneten sie die Tür und staunten anschließend nicht schlecht, als plötzlich noch ein „Weihnachtsmann“ mit einem kleinen Wichtel vor ihnen stand. Emmy brach in Tränen aus. Sie waren aufgeflogen und das so kurz vor dem Ziel. Christian ließ die Schultern hängen und fiel rücklings auf seinen Hosenboden. Der Nikolaus und Wichtel Willi traten in das unaufgeräumte Wohnzimmer und sahen den Weihnachtsmann völlig teilnahmslos in einer Ecke sitzen. „Was habt ihr mit ihm gemacht?“, wollte der kleine Willi wissen. Die Kinder schauten einander an und brachten kein Wort heraus. Christian ergriff das Wort: „Wir haben ihn so lange Tee trinken lassen, bis er eingeschlafen ist. Und dann ist er einfach nicht mehr aufgewacht.“ – „Das kann doch Alles nicht wahr sein. Und dann noch vor Weihnachten.“ An den Füßen und an den Händen gepackt, wurde der Weihnachtsmann in den Schlitten des Nikolaus‘ verladen und auf die Rückbank gelegt. „Ihr Beide kommt mit, wir können euch hier nicht alleine sitzen lassen. Und außerdem müssen wir noch ein ernstes Wörtchen mit euch reden.“ Mit diesen autoritären Worten des Nikolaus‘ erhob sich dessen Schlitten in die Lüfte. Und nun ging es endlich in das Schloss des Weihnachtsmannes, wo dieser bereits sehnsüchtig erwartet wurde.
Kapitel 6 – Was aus dem Weihnachtsfest wurde
Sie standen Alle da und warteten mit großen Augen, als der Schlitten vom Nikolaus sanft in den Schnee vor dem Weihnachtsmannschloss glitt. Meggie schloss Willi mit einem Schluchzen in die Arme: „Ich dachte schon du kommst gar nicht mehr nach Hause. Wir haben alle gemeinsam an dich gedacht und gehofft, dass dir nichts Schlimmes passiert ist.“ Und so bemerkte keiner, wie der Nikolaus den Weihnachtsmann in das verschneite Schloss trug und ihn in sein Bett legte. „Dann muss ich wohl deinen Job übernehmen, alter Mann.“, meinte er noch beifällig im Weggehen. Christian und Emmy wurden damit beauftragt, auf den Weihnachtsmann aufzupassen und sofort Bescheid zu geben, wenn dieser aus seinem Tiefschlaf erwachen sollte. Doch Willi wurde im ganzen Schloss als Held gefeiert. Er erzählte pausenlos von seinen Abenteuern, von den neu gewonnenen Freunden und den ganzen Geschichten rund um die Suche nach dem Weihnachtsmann. Der Nikolaus übernahm derweil die Aufgaben seines Bruders und koordinierte Wunschzettel, Geschenke und die ganzen Süßigkeiten. Auch am Morgen des Weihnachtstages war der Weihnachtsmann noch nicht ganz bei Sinnen und deshalb arbeitete sein Bruder im Akkord weiter. Geschenke wurden verteilt und die kleinen und großen Kinder auf der ganzen Welt glücklich gemacht.
Keiner bemerkte, dass der Geschenkeüberbringer eigentlich gar nicht der Weihnachtsmann war. Und so saßen weltweit die Menschen beieinander und genossen die familiäre Stimmung am Heiligen Abend.
Am späten Abend kehrte der Nikolaus von seiner Weltreise zurück zum Nordpol. „Mission erfüllt“, verkündete er und sogleich stimmten die Wichtel und Elfen einen Jubelgesang aus Weihnachtsliedern an. Auch der Weihnachtsmann war bereits wieder auf den Beinen und rief alle Helfer um sich zusammen:
„Ich bedanke mich bei allen kleinen und großen Helfern und hoffe, dass mein Verschwinden nicht für allzu großen Trubel und Chaos gesorgt hat. Erst euer Zusammenhalt hier hat das Fest auf der ganzen Welt überhaupt möglich gemacht. Nun aber genießt die euch verbleibenden Stunden mit euren Freunden und Familien.“ Und so wurde im Schloss noch lange und ausgelassen gefeiert.
Als der Weihnachtsmann am späten Abend die Feierlichkeiten verließ, wurde er vom Nikolaus, Wichtel Willi und den beiden Kindern auf seine Stube begleitet. Und erneut begann der alte Mann in seinem roten Gewand mit einer Rede:
„Wie ich sehe, hat ein Jeder auf dieser Welt ein friedliches und versöhnliches Weihnachtsfest feiern können. Das haben die Kinder und deren Eltern besonders unserem Wichtel Willi zu verdanken. Auf deiner Reise hast du viele neue Leute und Persönlichkeiten kennen gelernt. Ich hoffe dir damit deinen innigsten Weihnachtswunsch, einmal eine Weltreise zu machen, erfüllt zu haben.“ Auf Willis Gesicht breitete sich ein Grinsen aus, das bis zu den Ohren reichte.
„Und auch dir lieber Bruder habe ich hoffentlich einen Herzenswunsch erfüllt: Endlich einmal einen Weihnachtstag im Mittelpunkt zu stehen und in die vielen leuchtenden Kinderaugen zu schauen.“ Nach diesen Augenblicken des Glücks rollte eine kleine Träne über die Wange des Nikolaus‘.
„Nun zu euch beiden“ und der Weihnachtsmann wandte sich an Emmy und Christian. „Ich hoffe euer Wunsch ging in Erfüllung.“ Ihr habt euch den ganzen Heiligen Abend rührend um mich gekümmert. Euer Eigensinn, den Weihnachtsmann einen Abend für euch allein zu haben, sei euch verziehen. Doch denkt das nächste Mal daran, dass viele Kinder in der großen weiten Welt auf ihre Weihnachtsgeschenke warten.
Und so waren letztendlich Alle glücklich und zufrieden. Es wurde ein verschneites, gemütliches Weihnachtsfest. Die Familien saßen an ihren Kaminen und feierten im engsten Kreis. Und niemand bemerkte, dass dieses Jahr der Nikolaus anstatt des Weihnachtsmannes die Geschenke verteilt hatte.